Neulich auf Facebook begegnete mir dieses fröhliche kleine Video.
Klar, als Fan aktiven Lernens muss ich das teilen. Er macht das auch wirklich gut, aber dann kam ich ins Grübeln, und teilte das Video mit diesen Worten auf meiner Facebook-Page.
Es gab Likes, aber auch den schnippischen Hinweis „Benutzen?“.
Haha, wie denn? Ja, ich gebe zu, da war ich [echt] angepisst, weil ich mir Zustimmung erhofft hatte.
JA, es war wirklich so, ich habe die unregelmäßigen Verben zum Ende der 5. Klasse auswendig gelernt. Ich konnte, ja ich KANN sie alle. Aber anwenden?
Wie denn? Wann denn? Damals im Vokabeltest, in dem es darum ging, die Verben aufzuschreiben, zu vervollständigen, da hatte ich eine 1!
Im dazugehörigen Grammatiktest, der die Anwendung prüfen sollte, eine knappe 4, also knapp an der 5 vorbei. Ich hatte keine Ahnung. Ich habe es einfach nicht kapiert.
DAS war der Moment, in dem mir Englisch plötzlich egal war, und bis vor einiger Zeit auch blieb. Ich bin nicht sicher, ob die If-Sätze der endgültige Dolchstoß für das Fach waren, oder ob es die Anwendung der unregelmäßigen Verben war. Im Grunde lag es dann wohl daran, dass die Lehrerin und ich nicht kompatibel waren. Das sagt man ja gerne.
Ja, ich weiß, dass das jetzt mimimimimimiiiiii ist, aber da kommt immer wieder Wut mit, die wohl schlussendlich dafür gesorgt hat, dass ich mich akribisch dafür einsetze, dass Lernen aktiv geschehen muss! Dazu muss ich sagen, dass wir in den ersten Monaten eine tolle Lehrerin hatten, sie hat uns sehr spielerisch an das Thema herangeführt. Das hat richtig Spaß gemacht. In der Mitte des 2. Halbjahres bekamen wir so eine unlustige Grammatikschnepfe, und die Sprache verwandelte sich von leicht und boah-wie-geil-wir-haben-endlich-Englisch in etwas ganz doofes. Fast so doof wie Mathe.
Aber: Mir konnte geholfen werden!
Die wunderbare Christine Burgmer (http://english-trainer.de/) rief mich nach meinem Statusupdate auf Facebook gleich an, und gab mir ein perfektes 5 Minuten-Coaching – Na, vielleicht waren es auch 10 Minuten, aber es war genial, und beantwortete alle meine Fragen dazu. Sie sagte auch, dass es vielen anderen genauso geht.
Ach nee? Hach, ich liebe Native-Speaker, die verstehen mich als Lernende!
Sie hat das Thema oft in ihrem Sprachunterricht, und es liegt nicht daran, dass die Leute die Verben nicht kennen. Siehste!
Tränchentröst.
Danach hatte ich es kapiert, und seitdem habe ich diese ganze Sache auch schon bewusst angewendet. Zieh es dir rein:
„Ich hatte ein 5 Minuten-Coaching, habe es kapiert, und schon E-E-E-I-N-G-E-S-E-T-Z-T! Oder einfach benutzt!“
Schließlich schreibe ich seit einiger Zeit ein paar Mal pro Woche irgendeine englische Mail an irgendeinen Support für irgendwas, oder ich beteilige mich aktiv an Diskussionen in einem Onlinekurs, oder in einer Facebook-Gruppe.
Dennoch. Es beschäftigt mich seitdem:
Wieso gelingt das in dieser kurzen Zeit? Jetzt könnte man sagen: Wut und Verzweiflung, weil mir das Video eine alte Schwäche gezeigt hat.
Wieso ist es damals nicht gelungen? Ist die Sandra strunzenblöd?
Wie kommt das Wissen aus Training, Seminar, Webinar ins echte Leben?
Du kannst selbstverständlich einige Bücher zur Absicherung des Lerntransfers lesen (Buchtipps s.u.), aber wenn du dir für deine nächste Planung erstmal einfach die Tipps hier aus dem Beitrag zu Herzen nimmst, und auf ein paar kleine Dinge achtest, dann ist vielleicht auch deinen Teilnehmern geholfen.
Huch, damit zweifle ich nicht daran, dass deine Teilnehmer deine Veranstaltung so unwissend verlassen, wie ich die Englischstunden damals. Mir fällt nur auf, dass für die Wissensvermittlung oft viel Zeit drauf geht, aber der wirkliche Transfer in den [Arbeits]Alltag so ein dreckiges Anhängsel ist.
Ja, da fasse ich mir auch an meine ganz eigene Nase, und ich muss mir das auch immer wieder bewusst machen.
[Tweet „Zur Wissensvermittlung gehört auch der Transfer.“]
„Was haben die Teilnehmer davon, wenn sie das hier lernen? Wie können wir absichern, dass die Teilnehmer das Gelernte auch anwenden?“, das sind Fragen, die gleich zu Beginn der Planung eines Lernevents mit beantwortet werden sollten.
„Da braucht es ein Follow-up-Training, das bucht aber keiner.“, höre ich dich jetzt ausrufen.
Ja, das stimmt oft, obwohl das Bewusstsein ganz langsam da ist, und die Frage nach dem Transfer schon von vielen Auftraggebern gestellt wird. Das ist zumindest meine Beobachtung. Aber der Transfer hängt nicht nur an einem Follow-up.
Wie wäre es mit dieser Idee? –>
1. Transfertipp: Den Transfer schon vor oder während des Seminars einleiten
Im Grunde kannst du den Transfer schon vor dem Seminar beginnen. Das funktioniert z.B. dann am besten, wenn du die Teilnehmer bittest, unbedingt eine konkrete Aufgabenstellung zum Seminar oder Webinar mitzubringen. Du planst in deine Veranstaltung Phasen ein, in denen die Teilnehmer kleine Wissenshäppchen mit ihrem eigenen Projekt verknüpfen. Es folgt ein steter Wechsel zwischen Vermittlung und Vertiefung für das Praxisprojekt der Teilnehmer.
Einsatz des Gelernten am eigenen Projekt
In den ersten Runden ist diese Vorgehensweise für die Teilnehmer noch ungewohnt, aber dann kommt der Moment, in dem es klick macht, und die Teilnehmer schon während der nächsten Theoriephase darauf lauern, das Wissen in der folgenden praktischen Einheit anzuwenden oder einzubauen.
Was von dem soeben referierten Wissen davon kann ich gleich nutzen? Was davon möchte ich mir für andere Situationen notieren?
Das sind Fragen, die in den Köpfen der Teilnehmer kreisen. Dafür braucht es Zeit. Aber diese Zeit ist gut investiert.
Wie kann das aussehen?
Thema 1:
Vortrag/Übung/Vermittlung z.B. 20 Min.
Einsatz des Gelernten am eigenen Projekt 10 Min.
Vortrag/Übung/Vermittlung z.B. 10-20 Min.
Einsatz des Gelernten am eigenen Projekt 10-20 Min.
Vortrag/Übung/Vermittlung z.B. 10-20 Min.
Einsatz des Gelernten am eigenen Projekt 10-20 Min
—– Pause nach 90 Minuten ——
Thema 2:
Vortrag/Übung/Vermittlung z.B. 20 Min.
Einsatz des Gelernten am eigenen Projekt 10 Min.
Vortrag/Übung/Vermittlung z.B. 10-20 Min.
Einsatz des Gelernten am eigenen Projekt 10-20 Min.
Vortrag/Übung/Vermittlung z.B. 10-20 Min.
Einsatz des Gelernten am eigenen Projekt 10-20 Min
—– Pause nach 90 Minuten ——
Thema X:
…
Zum Ende der Veranstaltung sollte ein längerer Zeitraum zur Verfügung stehen, um den ‚Sack zuzubinden‘. Wenn möglich sogar eine ganze Arbeitseinheit von 90 Minuten. Hier werden noch Erkenntnisse eingebaut, Fragen gestellt. Klasse wäre es, wenn es auch noch Zeit gibt, dafür, dass sich die Teilnehmer ihre Ergebnisse gegenseitig präsentieren. Bei vielen Teilnehmern in Kleingruppen. So hat man nicht nur das eigene Projekt bearbeitet, sondern auch eine Idee, wie das Thema sonst noch auf andere Weise praktisch eingesetzt werden kann.
Für welche Themen eignet sich eine solche Vorgehensweise?
In Train-the-Trainer-Seminaren und Webinaren gehe ich auf jeden Fall so vor. Außerdem lässt sich das gut machen, wenn die Teilnehmer an der Präsentation eines Praxisprojekts abeiten. Es läuft auch sehr gut, in der Aufstiegsfortbildung, z.B. im Rahmen der Ausbildereignungsprüfung.
Fachwirte müssen am Ende des Lehrgangs jetzt meistens eine Präsentation zu einem Thema erstellen, dass sie ausführlich fachlich begleitet haben. Die Ausarbeitung solcher Themen eignet sich hervorragend für dieses Vorgehen.
Arbeitest du mit angehenden Unternehmern/ Bloggern/ Dings, und möchtest sie ins Handeln bringen? Fein, dann ist diese Vorgehensweise ein guter Weg. Oder glaubst du, ich komme ins Arbeiten, wenn du mir nur vier Stunden lang einen Vortrag hältst? Nö, fordere mich. Fordere mich auf, etwas zu tun.
Wenn die Aufgabe keine Projektaufgabe hergibt, dann zerlege deinen Vortrag in kleine Häppchen, und sichere zwischendurch immer noch ab, ob die Teilnehmer noch dabei sind. Das geschieht bitte nicht durch die Frage: „Wie geht es euch? Könnt ihr noch? Seid ihr noch da/wach?“
Es gibt sehr viele kreative Übungen zur Wiederholung, die keine Gängelei der Teilnehmer darstellen, sondern die hilfreich sind für das Behalten. Auch hier im Blog findest du einige Wiederholungsübungen dazu.
2. Transfertipp: Finde Beispiele, die die Teilnehmer dort abholen, wo sie stehen
Blablabla, ein echt alter Hut. Oder?
Das wusstest du schon. Ja, nur blöd, dass wir das verdammt oft sagen, aber was heißt das denn genau?
Zunächst mal nicht physisch. Sie sind hoffentlich alle freiwillig zu dir gekommen, und du musst die Teilnehmer nicht einsammeln. Check!
Werfen wir mal einen Blick auf deine Beispiele, oder Beispielsätze, mit denen du das Wissen deiner Teilnehmer vertiefen möchtest.
Passen deine Beispiele/Beispielsätze auch zu deinen Teilnehmern?
Wenn ich zurück schaue auf den Sprachunterricht, dann stellt sich die Frage, ob die Sätze, mit denen wir das Wissen vertieft haben überhaupt meinem damaligen Wissen, meiner Entwicklung entsprachen. Würde ich jemals so sprechen, da draußen im echten Leben? Oder sind die Beispielsätze so abstrakt, dass ich sie brav nur für die Theorie bearbeite.
[Tweet „Deine Beispiele müssen in die Lebenswirklichkeit deiner Teilnehmer passen.“]
So muss es wohl heißen.
Ich habe das gerade in den letzten Wochen mit den Auszubildenden wieder gelernt. Du musst deine Sprache, oder womöglich gar Witze anpassen. Unbedingt. Sonst ist es einfach nur peinlich. Mittlerweile kann ich vom Alter her gut die Mutti der Auszubildenden sein – Au Backe. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir uns für unsere Zielgruppe interessieren. Neben der fachlichen Vorbereitung solltest du dich auch dafür interessieren, was deine Teilnehmer so für Leute sind. Was interessiert sie?
Hier mal die Analysefragen aus dem Humorkochbuch, weil ich denke, dass diese Fragen ganz wichtig sind, damit du auch gleichzeitig ein wenig Entertainment ins Lernen einbauen kannst.
Nicht auf alle Fragen findest du leicht eine Antwort. Es lohnt sich aber auf jeden Fall dran zu bleiben. Im Normalfall wechselt ja deine Zielgruppe nicht so oft, und da ist die Zeit für das Erarbeiten gut angelegt.
3. Transfertipp: Emotionen, Emotionen und noch mehr Emotionen
Du musst hier nicht die ganz großen Gefühle auspacken, aber hilfreich ist es doch irgendwie schon. 😉
Du musst die Gruppe nicht zum Heulen bringen, sie erschrecken, oder wegekeln. Aber manchmal passen Emotionen. Ein besonderes Gruppenerlebnis, dass die Gruppe miteinander verbindet, das ist perfekt. Nicht umsonst werden erlebnispädagogische Trainings erfolgreich eingesetzt.
Manchmal ist es aber auch nur ein bestimmtes Gruppenwort, das sich aus einer lustigen oder besonderen Situation ergibt. Fällt das Gruppenwort, sind alle wieder in der gemeinsam erlebten Situation. Wenn es dir gelingt, das Wort mit dem Lerninhalt zu verbinden, dann ist das ganz großes Kino. Das ist nicht immer leicht, und verlangt deinen Improvisationskenntnissen oft viel ab. Vorbereiten kannst du hier nichts. Das hier, das lebt in diesem Moment.
Ein anderes Beispiel:
Meine Feststellung ist, dass ich besonders viel im Dialog mit Muttersprachlern lerne. Ich sauge deren Sätze auf, und plötzlich platzt ein Knoten. Das sind oft ganz normale Gespräche über ganz verschiedene Themen.
Wenn ich merke, dass es an einer Stelle hängt, dann frage ich warum eine bestimmte Form verwendet wird. Das merke ich mir. Das ist sehr erstaunlich. So habe ich z.B. den Subjonctif, eine besondere Form im Französischen gelernt. Ich sehe immer noch meinen Freund mit verkniffenem Blick und Bauchschmerzen vor mir sitzen, wie er mich korrigiert: „Non, Sandra, non…“
Das habe ich gelernt. Nun mag in diesem Fall noch die Emotion dazukommen, die ein gigantischer Lernturbo ist.
Dazu musst du wissen, dass ich natürlich schockverliebt bin, wenn ein charmanter Franzose mit mir Französisch spricht. Nein, Moment, es ist sogar komplett egal, ob Männlein oder Weiblein! Der Dialekt reicht. ICH LIEBE ES!
Nun, in diesem Fall muss der Sprachlehrer einfach Muttersprachler sein. Das prägt sich bei mir einfach ein. Vielleicht hätte mir das damals geholfen?
Hihi, da fällt mir eine Anekdote aus der Flüsterdolmetscherausbildung ein.
„Une langue s’apprend mieux sur l’oreiller.“, sagte die liebe U., die uns durch das Programm führte, während wir einer grammatischen Ausnahme verzweifelten. „Eine Sprache lernt man besser auf dem Kopfkissen.“ – Schwupp, da sind sie wieder, die Emotionen. 😉
Ich hoffe, dass dir die eine oder andere Idee hier hilfreich ist.
Hier noch die beiden Buchtipps zum Thema Transfer, die ich dir sehr empfehle, wenn du mehr zum Thema wissen möchtest:
Dieses Buch von Ralf Besser enthält viele Methodentipps, die sich in verschiedenen Phasen des Trainings integrieren lassen. Sowohl vor, während und nach dem Training.
Mehr dazu findest du hier:
Transfer: Damit Seminare Früchte tragen: Strategien, Übungen und Methoden, die eine konkrete Umsetzung in die Praxis sichern (Beltz Weiterbildung) *
Das Buch von Marit Alke nimmt zusätzlich noch den Transfer am Arbeitsplatz mit auf, und bietet noch weitere Sichtweisen auf das Thema.
Mehr dazu findest du hier:
Praxistransfer inklusive!: Vom Schwachpunkt zum Erfolgsfaktor: Transferphasen gezielt zum Aufbau sozialer Kompetenzen nutzen *
Wie hilfst du deinen Teilnehmern beim Transfer? Wo beginnt für dich der Transfer?
Ich freue mich über deine Kommentare.
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